Insolvenz des Arbeitgebers

Ablauf und Voraussetzungen der Insolvenzeröffnung im Allgemeinen

Das Insolvenzrecht unterscheidet zwischen dem Insolvenzeröffnungsverfahren, einem vorläufigen Insolvenzverfahren und dem „eigentlichen“ Insolvenzverfahren.

Das Insolvenzeröffnungsverfahren wird durch den Insolvenzantrag des Arbeitgebers (Eigenantrag) oder seiner Gläubiger (Gläubigerantrag) in Gang gesetzt. Arbeitgeber, die etwa als GmbHs oder AGs organisiert sind, sind nach Maßgabe des § 15 Abs. 1 S. 1 InsO verpflichtet einen Insolvenzantrag zu stellen. Der Verstoß gegen diese Verpflichtung ist zugleich eine Straftat. Diese Straftat kann ausnahmsweise sogar zu einer persönlichen Haftung der Geschäftsführer einer GmbH oder der Vorstände einer AG führen.

Insolvenzanträge der Gläubiger des Arbeitgebers erfordern ein berechtigtes Interesse gem. § 14 InsO. Der Gläubiger hat mit seinem Antrag eine berechtigte Forderung und einen Insolvenzeröffnungsgrund glaubhaft zu machen. Er hat die Wahl, ob er einen Insolvenzantrag stellt oder eine Zwangsvollstreckung titulierter Forderungen beauftragt. Der einzige Vorteil des Insolvenzantrages besteht darin, Informationen über die Vermögensverhältnisse des Arbeitgebers zu erlangen.

Das Insolvenzeröffnungsverfahren dient der Sicherung der Vermögenswerte des Arbeitgebers und der Feststellung, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorliegen. Es endet mit der Entscheidung des Insolvenzgerichts über den durch den Schuldner oder dessen Gläubiger gestellten Insolvenzantrag.

Das Insolvenzgericht kann drei verschiedene Entscheidungen treffen: die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die Ablehnung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Unzulässigkeit oder Unbegründetheit dieses Antrags oder die Abweisung des Antrags mangels Masse.

Das Insolvenzverfahrens muss eröffnet werden, wenn der Insolvenzantrag zulässig und begründet ist sowie das Vermögen des Arbeitgebers ausreicht, die Kosten des Verfahrens zu decken.

Reicht das Vermögen des Arbeitgebers nicht einmal hierfür aus, erfolgt eine Abweisung „mangels Masse“.

Sämtliche öffentlich bekannt gemachten Entscheidungen der Insolvenzgerichte können auf der Internetseite www.insolvenzbekanntmachungen.de eingesehen werden.

Die Zulässigkeit und Begründetheit eines Insolvenzantrages setzt u. a. die Insolvenzfähigkeit des Arbeitgebers und einen Insolvenzeröffnungsgrund voraus.

Insolvenzfähig ist nach § 11 InsO jede natürliche und jede juristische Person. Ebenso insolvenzfähig sind etwa die GbR, die OHG und die Partnerschaftsgesellschaft. Nicht insolvenzfähig sind lediglich der Bund und die Länder sowie bestimmte juristische Personen des öffentlichen Rechts, § 12 InsO, einschließlich der als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannten Kirchen und öffentlichen Sparkassen.

Insolvenzeröffnungsgründe sind nach den §§ 16 ff. InsO die Zahlungsunfähigkeit, die drohende Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung.

Zahlungsunfähig ist der Arbeitgeber, wenn er seine fälligen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr erfüllen kann. Das wird bei Zahlungseinstellung gesetzlich vermutet.

Drohende Zahlungsunfähigkeit bedeutet, dass der Arbeitgeber voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, bestehende Zahlungspflichten bei deren Fälligkeit zu erfüllen. Nur der Arbeitgeber selbst kann wegen drohender Zahlungsunfähigkeit Insolvenzantrag stellen, nicht seine Gläubiger.

Überschuldung eines Arbeitgebers liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Das ist aber nur bei juristischen Personen ein Insolvenzeröffnungsgrund.

Im vorläufigen Insolvenzverfahren muss das Insolvenzgericht alle erforderlichen Maßnahmen treffen, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Arbeitgebers zu verhüten. Eine regelmäßige getroffenene Maßnahme des Insolvenzgerichts besteht darin, einen vorläufigen Insolvenzverwalter zu bestellen. Es gibt so genannte „schwache“ und „starke“ Insolvenzverwalter.

Ein schwacher Insolvenzverwalter hat lediglich die Aufgabe, die Vermögensverhältnisse des Arbeitgebers zu überprüfen. Hierfür ist er berechtigt, die Geschäftsräume des Arbeitgebers zu betreten und dort Nachforschungen anzustellen. Der Arbeitgeber hat dem vorläufigen Insolvenzverwalter Einsicht in seine Bücher und Geschäftspapiere zu gestatten. Er hat ihm alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen und ihn bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen (§ 22 Abs. 3 InsO). Die Arbeitgeberstellung ändert sich bei Bestellung eines schwachen Insolvenzverwalters nicht. Der vorläufige Insolvenzverwalter kann somit Arbeitnehmern keine Weisungen erteilen oder die Kündigung von Arbeitsverhältnissen erklären. Klagen sind unverändert weiter gegen den Arbeitgeber selbst zu erheben. Gegenüber Arbeitnehmern hat die bloße Bestellung des schwachen Insolvenzverwalters noch keine Konsequenzen.

Das ändert sich aber dann, wenn das Insolvenzgericht den schwachen Insolvenzverwalter mit weiteren Rechte ausstattet. Sehr häufig ordnet das Insolvenzgericht etwa einen Zustimmungsvorbehalt an, § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO. Dann sind Verfügungen des Arbeitgebers ohne die Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters unwirksam. Zu diesen Verfügungen zählt auch die Kündigung von Arbeitsverhältnissen.

Eine Kündigung ohne die Zustimmung des Insolvenzverwalters ist absolut unwirksam (§ 24 i. V. m. § 81 Abs. 1 S. 1 InsO).

Eine Kündigungserklärung durch den Arbeitgeber, der keine Einwilligung des vorläufigen Insolvenzverwalters in schriftlicher Form beigefügt ist, ist dann unwirksam, wenn der gekündigte Arbeitnehmer die Kündigung unverzüglich aus diesem Grunde zurückweist (§ 182 Abs. 3 i. V. m. § 111 S. 2 und 3 BGB). Auch Vergleiche zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor den Arbeitsgerichten bedürfen dann zu Ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters.

Die Bestellung eines starken Insolvenzverwalters ist in der Praxis eine Ausnahme. Von einem starken Insolvenzverwalter spricht man, wenn das Insolvenzgericht dem Arbeitgeber eine allgemeines Verfügungsverbot auferlegt (§ 22 Abs. 1 InsO). In diesem Fall geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Arbeitgebers auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über. Klagen sind nicht mehr gegenüber dem Arbeitgeber, sondern gegenüber dem Insolvenzverwalter zu erheben. Bereits anhängige Gerichtsverfahren werden gemäß § 240 Abs. 2 ZPO unterbrochen. Der starke Insolvenzverwalter hat nicht nur die Vermögensverhältnisse des Arbeitgebers zu prüfen, sondern gestaltend tätig zu werden. Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen, die der starke Insolvenzverwalter begründet, gelten nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseforderungen, wenn er die Arbeitsleistung der Arbeitnehmer in Anspruch nimmt.

Allgemeine Rechtsfolgen der Insolvenzeröffnung

Mit dem Beschluss des Insolvenzgerichts, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers zu eröffnen, beginnt das eigentliche Insolvenzverfahren. Der Beschluss führt zu erheblichen Änderungen der Rechtslage, die in den §§ 80 ff. InsO geregelt sind.

Das Recht des Arbeitgebers, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, geht auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO). Trifft der Arbeitgeber dennoch Verfügungen über die Insolvenzmasse, sind solche Verfügungen unwirksam (§ 81 Abs. 1 InsO). Die Gläubiger des Arbeitgebers können Ihre Forderungen nur nach den Vorschriften des Insolvenzverfahrens geltend machen (§ 87 InsO). Beinahe sämtliche Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Arbeitgeber sind unzulässig (§ 89 InsO). Erfolgreiche Zwangsvollstreckungsmaßnahmen im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die zu einer Sicherung an der Insolvenzmasse für Gläubiger geführt haben, werden unwirksam (§ 88 InsO).

Anhängige Gerichtsverfahren gegen den Arbeitgeber werden unterbrochen (§ 240 ZPO). Klagen können nicht mehr gegen den Arbeitgeber, sondern nur noch gegen den Insolvenzverwalter gerichtet werden. Das betrifft auch Kündigungsschutzklagen, selbst wenn die Kündigung noch durch den Arbeitgeber erklärt worden ist. Erfährt der gekündigte Arbeitnehmer erst nach Klageerhebung von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, kann die Klage u. U. gemäß § 5 KSchG nachträglich zugelassen werden.

Auch Klagen auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses sind gegen den Insolvenzverwalter zu richten, wenn das Arbeitsverhältnis nicht schon vor Insolvenzeröffnung endete.

Persönliche Haftung des Insolvenzverwalters

Die persönliche Haftung des Insolvenzverwalters gegenüber Arbeitnehmern ist durch die § 60, 61 InsO dem Grunde und der Höhe nach stark eingeschränkt.

Nach § 61 InsO ist der Insolvenzverwalter zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er eine Masseverbindlichkeit begründet, die aus der Masse nicht erfüllt werden kann und bei der Insolvenzverwalter hierbei auch erkennen konnte, dass die Insolvenzmasse für die Erfüllung dieser Verbindlichkeiten nicht ausreichen würde. Vergütungsansprüche von Arbeitnehmern sind aber in der Regel ohne eigenes Zutun des Insolvenzverwalters entstanden („oktroyierte Masseverbindlichkeiten“, § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Kündigt der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis zum nächstmöglichen Zeitpunkt und stellt den Arbeitnehmer von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei, sind die bis zum Ablauf der Kündigungsfrist entstehenden Vergütungsansprüche gemäß § 209 Abs. 3 Nr. 2 InsO „Altmasseverbindlichkeiten“, für die der Insolvenzverwalter auch nicht persönlich haftet.

Begründet der Insolvenzverwalter etwa nicht erfüllbare Abfindungsansprüche durch den Abschluss gerichtlicher Vergleiche oder Sozialpläne, haftet er im Übrigen nur auf das so genannte negative Interesse, den so genannten Vertrauensschaden. Der Arbeitnehmer wäre durch den Insolvenzverwalter so zu stellen, als ob er keine Pflichtverletzung begangen hätte. Hätte sich der Insolvenzverwalter aber pflichtgemäß verhalten, hätte er dem Arbeitnehmer wegen nicht ausreichender Masse überhaupt keine oder eine geringere Abfindung zugesagt. In beiden Fällen hätte sich durch die Pflichtverletzung des Insolvenzverwalters die Vermögenslage des Arbeitnehmers nicht verschlechtert, sondern verbessert oder wäre jedenfalls unverändert geblieben.

Die persönliche Haftung des Insolvenzverwalters gegenüber Arbeitnehmern § 60 InsO ist wenig praxisrelevant. Die Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten durch den Insolvenzverwalter selbst ist durch den Arbeitnehmer kaum zu begründen. Für derartige Pflichtverletzungen durch Hilfspersonen haftet der Insolvenzverwalter nicht nach der allgemeinen Bestimmung des § 278 BGB, sondern lediglich für deren Überwachung und bei Entscheidungen von besonderer Bedeutung, § 60 Abs. 2 InsO.

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