Anspruchsgrundlagen für Arbeitnehmer

Damit ein Arbeitnehmer einen „echten“ rechtlichen Anspruch auf eine Leistung des Arbeitgebers hat, den er notfalls auch einklagen kann, muss es für diese Leistung eine sogenannte Anspruchsgrundlage geben, auf die der Arbeitnehmer den Anspruch stützen kann.

Im Arbeitsrecht existieren insbesondere die folgenden Anspruchsgrundlagen:

Nur wenn der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf eine Anspruchsgrundlage stützen kann, kann er die Leistung des Arbeitgebers notfalls vor dem Arbeitsgericht einklagen.

Grundsätzlich kann jede Art von Arbeitsentgelt bzw. Vergütungsbestandteil auf jede Art von Anspruchsgrundlage gestützt werden:

Ein Anspruch auf eine Bonuszahlung oder auf ein Weihnachtgeld kann sich z.B. sowohl aus einer vertraglichen Vereinbarung als auch aus der gesetzlichen Vorschrift des § 612 BGB, einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung, einer betrieblichen Übung, einer Gesamtzusage oder aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben.

Genauso kann sich ein Anspruch auf ein Grundgehalt in einer bestimmten Höhe, auf eine Zulage oder auf eine Überstundenvergütung sowohl aus einer vertraglichen Vereinbarung als auch aus der gesetzlichen Vorschrift des § 612 BGB, einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung, einer betrieblichen Übung, einer Gesamtzusage oder aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben.

Vertragliche Vereinbarung

In den meisten Fällen ergibt sich der Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Leistung aus einer vertraglichen Vereinbarung mit dem Arbeitgeber. Die vertragliche Vereinbarung kann z.B. getroffen sein im Arbeitsvertrag, in einem Änderungsvertrag oder in einer zusätzlichen Vereinbarung zum Arbeitsvertrag.

Eine vertragliche Vereinbarung muss im Arbeitsrecht nicht schriftlich getroffen werden, damit sie rechtliche Wirkung entfaltet. Eine mündliche Vereinbarung genügt völlig. Auch mündliche Abreden sind für Arbeitnehmer und Arbeitgeber grundsätzlich bindend und können notfalls vor dem Arbeitsgericht durchgesetzt werden. Problematisch bei mündlichen Vereinbarungen ist nur, dass man im Streitfall unter Umständen Schwierigkeiten haben kann, die Vereinbarung zu beweisen. Denn derjenige, der sich auf eine vertragliche Vereinbarung beruft, muss grundsätzlich beweisen, dass es diese Vereinbarung gegeben hat. Dies fällt in der Regel leichter, wenn die Vereinbarung schriftlich niedergelegt worden ist.

Allerdings muss die Existenz einer vertraglichen Vereinbarung auch nur dann bewiesen werden, wenn der Gegner bestreitet, dass es die Vereinbarung gegeben hat. Dabei ist zu bedenken, dass der Gegner verpflichtet ist, sich wahrheitsgemäß dazu zu äußern, ob es die behauptete Vereinbarung gegeben hat oder nicht. Sagt er diesbezüglich in einem Gerichtsprozess die Unwahrheit, macht er sich strafbar.

Gesetz

Auch wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer keinen Lohn bzw. kein Gehalt vereinbart haben und auch keine andere Anspruchsgrundlage (Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung, betriebliche Übung, Gesamtzusage, Gleichbehandlungsgrundsatz) eingreift, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Bezahlung.

Besteht keine andere Anspruchsgrundlage, ergibt sich der Anspruch des Arbeitnehmers auf Lohn bzw. Gehalt aus dem Gesetz, genauer gesagt aus § 612 BGB. Nach dieser Vorschrift gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Leistung des Arbeitnehmers nach den Umständen nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Bei einem Arbeitsverhältnis ist die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers immer nur gegen eine Vergütung zu erwarten.

Die Höhe der vom Arbeitgeber zu zahlenden Vergütung richtet sich – wenn sie nicht ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart worden ist – nach der „üblichen Vergütung“. Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Vergütung also gar nicht vereinbart, oder haben Sie zwar eine Vergütung vereinbart, aber deren Höhe nicht festgelegt, hat der Arbeitnehmer immer Anspruch auf ein Arbeitsengelt in Höhe der „üblichen Vergütung“. Unter der „üblichen Vergütung“ ist die in gleichen Berufen am gleichen Ort für vergleichbare Tätigkeiten unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers gezahlt Vergütung zu verstehen.

Tarifvertrag

Der Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Leistung kann sich auch aus einem Tarifvertrag ergeben. Ein Tarifvertrag ist ein Vertrag, der zwischen einer Gewerkschaft auf der einen Seite und einem Arbeitgeber oder Arbeitgeberverband auf der anderen Seite geschlossen wird, und der Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingen regelt.

In Tarifverträgen sind häufig auch zusätzliche Leistungen festgelegt, die der Arbeitnehmer neben seinem Grundgehalt verlangen kann, z.B. Zulagen, Zuschläge, Prämien, Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, 13. Gehalt, usw.

Damit ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf einen Tarifvertrag stützen kann, muss der Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers anwendbar sein. Dazu müssen 2 Voraussetzungen vorliegen:

1. Arbeitsverhältnis vom Geltungsbereich des Tarifvertrages erfasst

Das Arbeitsverhältnis muss zunächst einmal in den

  • räumlichen,
  • sachlichen und
  • fachlichen Geltungsbereich

des Tarifvertrages fallen.

2. Tarifgebundenheit von Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Weitere Voraussetzung ist, dass die Parteien des Arbeitsvertrages (also Arbeitgeber und Arbeitnehmer) an den Tarifvertrag gebunden sind. Dies ist der Fall, wenn

  • Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Organisationen (Arbeitgeberverband und Gewerkschaft) angehören, die den Tarifvertrag geschlossen haben,oder
  • der Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt worden ist,oder
  • die Anwendung des Tarifvertrages von Arbeitgeber und Arbeitnehmer vertraglich vereinbart worden istoder
  • der Tarifvertrag im Betrieb des Arbeitgebers kraft betrieblicher Übung Anwendung findet.

Betriebsvereinbarung

Der Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Leistung kann sich grundsätzlich auch aus einer Betriebsvereinbarung ergeben. Eine Betriebsvereinbarung ist ein Vertrag, der zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat geschlossen wird.

Es kommt zwar durchaus vor, dass in Betriebsvereinbarungen Ansprüche der Arbeitnehmer auf zusätzliche Vergütungsbestandteile (z.B. Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Bonuszahlungen, Zulagen, Zuschläge usw.) festgelegt werden. Allerdings ist dies eher die Ausnahme als die Regel. Denn grundsätzlich ist der Tarifvertrag das vorrangige Instrument, wenn es um die Festlegung des Arbeitsentgelts geht.

Betriebliche Übung

Wenn ein Arbeitgeber über mehrere Jahre (mindestens 3 Jahre) eine bestimmte Leistung gewährt, entsteht auch ohne eine ausdrückliche vertragliche Regelung aus diesem Verhalten ein Anspruch des Arbeitnehmers auf die Leistung in der Zukunft. Man spricht in einem solchen Fall von einem Anspruch aufgrund einer „betrieblichen Übung“ oder „Betriebsübung“.

Beispiel:

Ein Arbeitgeber zahlt seinen Arbeitnehmern, ohne dazu verpflichtet zu sein, in den Jahren 2012, 2013 und 2014 ein Weihnachtsgeld in Höhe eines Monatsgehalts. Im Jahr 2015 will er aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation kein Weihnachtsgeld auszahlen. Mittlerweile haben seine Arbeitnehmer aber aufgrund einer betrieblichen Übung einen – notfalls einklagbaren – Anspruch auf ein jährliches Weihnachtsgeld in Höhe eines Monatsgehalts.

Selbst wenn in den Arbeitsverträgen der Arbeitnehmer eine sogenannte Schriftformklausel enthalten sein sollte (z.B. „Weitere Abreden wurden nicht getroffen und bedürfen der Schriftform“), würde dies einem Anspruch aus betrieblicher Übung grundsätzlich nicht entgegenstehen. Etwas anderes kann unter Umständen dann gelten, wenn im Arbeitsvertrag eine sogenannte doppelte Schriftformklausel („Die Aufhebung der Schriftformklausel bedarf der Schriftform“) enthalten ist.

Wenn der Arbeitgeber verhindern will, dass durch die mehrmalige Gewährung einer Leistung eine betriebliche Übung entsteht, muss er bei der Leistungsgewährung einen ausdrücklichen Vorbehalt erklären. Damit dieser Vorbehalt wirksam ist, muss er klar, verständlich und eindeutig formuliert sein.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts werden durch eine betriebliche Übung vertragliche Ansprüche der Arbeitnehmer auf die üblich gewordenen Leistungen begründet. Ein Anspruch aus einer betrieblichen Übung ist deshalb rechtlich grundsätzlich genauso zu behandeln wie ein Anspruch, der schriftlich in einem Vertrag festgelegt wurde. Das bedeutet insbesondere auch, dass der Anspruch aus betrieblicher Übung nicht mehr einseitig durch den Arbeitgeber widerrufen, abgeändert oder aufgehoben werden kann. Auch durch eine Betriebsvereinbarung ist dies nicht möglich. Will der Arbeitgeber den Anspruch aus betrieblicher Übung wieder beseitigen, muss er entweder einen entsprechenden Änderungsvertrag mit dem Arbeitnehmer abschließen oder eine (wirksame) Änderungskündigung aussprechen.

Gesamtzusage

Bei einer Gesamtzusage handelt es sich in der Regel um eine an die Belegschaft als Ganzes (bzw. eine bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern) gerichtete Willenserklärung des Arbeitgebers, die durch die Arbeitnehmer ohne ausdrückliche Erklärung durch die bloße Entgegennahme der Leistung angenommen wird. Mit einer Gesamtzusage verpflichtet sich der Arbeitgeber durch die einseitige Bekanntgabe der Gewährung einer Leistung dazu, diese Leistung auch tatsächlich erbringen zu müssen.

Eine Gesamtzusage führt dazu, dass „echte“ vertragliche Ansprüche der Arbeitnehmer auf die zugesagte Leistung entstehen, die genauso zu behandeln sind wie Ansprüche, die schriftlich in einem Vertrag festgelegt wurden. Der Arbeitgeber kann sich der Pflicht zur Gewährung der Leistung deshalb nicht mehr einseitig entziehen. Will der Arbeitgeber den Anspruch der Arbeitnehmer aus einer Gesamtzusage wieder beseitigen, so kann er dies grundsätzlich nur durch den Abschluss von entsprechenden Änderungsverträgen mit den Arbeitnehmern oder durch den Ausspruch von (wirksamen) Änderungskündigungen erreichen.

Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz

Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf bestimmte Leistungen, insbesondere auf zusätzliche Entgeltbestandteile wie z.B. Zulagen, Zuschläge, Gewinnbeteiligungen, Bonuszahlungen usw. kann sich auch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet es dem Arbeitgeber, ohne sachliche Gründe einzelne Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage schlechter zu stellen. Insbesondere darf der Arbeitgeber einzelne Arbeitnehmer bei der Gewährung von Leistungen oder Vergünstigungen nicht willkürlich oder aus sachfremden Motiven ausschließen.

Beispiel:

Ein Arbeitgeber zahlt seinen Arbeitnehmern A und B jedes Jahr einen Bonus. Der Arbeitnehmer C, der die gleiche Tätigkeit ausübt wie A und B, bekommt dagegen keinen Bonus.

Gibt es keinen sachlichen Grund, der es rechtfertigt, dem Arbeitnehmer C keinen Bonus zu gewähren, verstößt der Arbeitgeber in dem Beispielsfall gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Der Arbeitnehmer C könnte deshalb von seinem Arbeitgeber verlangen, genauso behandelt zu werden wie die Arbeitnehmer A und B. Er könnte deshalb ebenfalls eine Bonuszahlung verlangen.

Weitere Informationen zum arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz finden Sie hier.

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