Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
Das Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (=AGG) ist am 18.08.2006 in Kraft getreten. Es dient der Umsetzung europarechtlicher Vorgaben zur Antidiskriminierung von Personengruppen, die schützenswert sind, genauer gesagt der Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinien der Europäischen Kommission.
Ziel des AGG ist es nach § 1 AGG, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. Der Katalog an Gründen in § 1 AGG ist abschließend.
Verhältnis AGG/Kündigungsschutz
Das Verhältnis AGG/Kündigungsschutz ist rechtlich noch nicht abschließend geklärt worden.
Nach § 2 IV AGG gelten für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz. Eine wortwörtliche Umsetzung dieser Vorschrift wäre jedoch europarechtswidrig. Deshalb muss § 2 IV AGG nach herrschender Ansicht dahingehend ausgelegt werden, dass für Kündigungen zwar vorrangig das Kündigungsschutzrecht Anwendung findet. Allerdings muss daneben noch Raum für die Berücksichtigung der Diskriminierungsverbote des AGG bleiben.
Anwendungsbereich des AGG
Persönlicher Anwendungsbereich
Das AGG ist nach § 6 I AGG anwendbar für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Auszubildende, Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind und Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis sowie für Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist. Auch für Leiharbeitnehmer gilt nach § 6 II 2 AGG das AGG.
Nach § 6 III 2 AGG sind in Fragen des Zugangs zur Erwerbstätigkeit und des beruflichen Aufstiegs auch Selbständige und Organmitglieder (Geschäftsführer/innen) erfasst. Allerdings spricht einiges dafür, dass diese Einschränkung für Selbständige und Organmitglieder europarechtswidrig ist, da die Antidiskriminierungsrichtlinien der Europäischen Kommission eine solche Einschränkung nicht vorsehen.
Sachlicher Anwendungsbereich
Was in sachlicher Hinsicht unter das Diskriminierungsverbot fällt, ergibt sich aus §§ 2, 11 AGG.
Danach fällt darunter der Zugang zur Erwerbstätigkeit einschließlich der Ausschreibung und des Anbahnungsverhältnisses, die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich des beruflichen Aufstiegs, der Zugang zur Berufsberatung und Bildung, Weiterbildung, Umschulung und praktischer Berufserfahrung inklusive der Mitgliedschaft in Vereinigungen wie Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden, bezüglich des Merkmals Rasse/Herkunft der soziale Schutz und die soziale Sicherheit, soziale Vergünstigungen und der Zugang zu Bildungseinrichtungen, bezüglich des Merkmals des Geschlechts die Güter und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, wie z. B. der Sport-, Kultur- und Freizeitbereich und sonstige soziale Vergünstigungen.
Begriffe des AGG
Das AGG will Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verhindern bzw. beseitigen.
Der Begriff der Rasse orientiert sich am allgemeinen Sprachgebrauch. Aus der Begründung der europarechtlichen Richtlinie kann allerdings entnommen werden, dass durch die Wortwahl „Rasse“ auf keinen Fall anerkannt werden soll, dass es verschiedene Rassen gibt. Das Gesetz setzt vielmehr am rassistischen Verhalten an. Ideen und Annahmen sind rassistisch, wenn sie das Vorhandensein von Rassenunterschieden annehmen.
Unter ethnischer Herkunft versteht man den kulturellen Herkunftskreis. Dieser Schutzbereich weist einige Überschneidungen zur Diskriminierung aufgrund der Rasse, der Religion und der Weltanschauung auf.
Mit Geschlecht ist das biologische Geschlecht gemeint, also männlich, weiblich oder zwischengeschlechtlich (=hermaphrodit). Nicht unter den Begriff fällt hingegen die sexuelle Ausrichtung des Betroffenen.
Eine anerkannte einheitliche Definition, was unter Religion zu verstehen ist, gibt es nicht. Viele verstehen darunter eine Zugehörigkeit zu einer religiösen Gemeinschaft. Vom Schutz umfasst sind dann sowohl die großen Religionsgemeinschaften wir etwa die evangelische und die katholische Kirche und die islamischen Gemeinschaften, aber auch zahlreiche kleine religiöse Gemeinschaften. Außerdem fällt unter den Schutz der Religion nach herrschender Meinung das Recht, diese Religion auch nach seinen Überzeugungen auszuüben und zu befolgen.
Unter Weltanschauung versteht man die nicht religiöse Sinndeutung der Welt im Ganzen. Der Begriff ist eng zu verstehen. Allgemeine politische Gesinnungen oder Anschauungen fallen nicht unter diesen Begriff.
Was unter einer Behinderung im Sinne des AGG zu verstehen ist, ergibt sich aus § 2 I SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Zu beachten ist, dass nicht nur Schwerbehinderte, also Behinderte mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 Prozent, sondern alle Behinderte vom AGG geschützt sind. Auch kommt es nicht darauf an, wieso jemand behindert ist und ob ihn an seiner Behinderung ein Verschulden trifft.
Zu beachten ist, dass eine Behinderung eine dauerhafte Beeinträchtigung im Gegensatz zu einer Krankheit ist.
Beispiel:
Ein Motorradfahrer hat einen schweren Unfall. Er bricht sich dabei den Arm und sein linkes Bein muss amputiert werden. Der Armbruch ist innerhalb von sechs Wochen auskuriert, so dass dieser eine Krankheit darstellt. Durch die Amputation und die dadurch folgende Einschränkung der Gehfähigkeit ist hingegen eine Behinderung gegeben.
Zu beachten ist, dass eine Krebserkrankung als Behinderung angesehen wird, da sie nicht nur vorübergehend ist.
Eine Behinderung ist auch nur gegeben, wenn die Beeinträchtigung nicht lebenstypisch ist. Daher stellt z. B. die Altersweitsichtigkeit keine Behinderung dar.
Eine Diskriminierung wegen des Alters liegt sowohl vor, wenn man wegen eines hohen, als auch wenn man wegen eines niedrigen Alters oder nach Überschreiten einer bestimmten Altersschwelle diskriminiert wird. Es ist also jedes Lebensalter gemeint.
Beispiel: In einer Stellenanzeige wird eine Verkäuferin/ein Verkäufer gesucht, die/der höchstens 30 Jahre alt ist.
Weiteres Beispiel: In einer Stellenanzeige wird eine erfahrene Kraft gesucht, die mindestens 40 Jahre alt ist.
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Grund für den Diskriminierungsschutz in erster Linie der Schutz von älteren Beschäftigten war. Diese sollten möglichst lange in einem Beschäftigungsverhältnis bleiben.
Eine Diskriminierung wegen der sexuellen Identität ist gegeben, wenn man schlechter behandelt wird, weil man schwul, lesbisch, hetero-, bi- oder transsexuell ist. Es geht hier also um eine Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung.
Benachteiligungsverbote
Nach § 7 I AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfahren als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde, § 3 I AGG. Vom Benachteiligungsverbot umfasst sind nach § 3 AGG unmittelbare und mittelbare Benachteiligungen, Belästigungen und sexuelle Belästigungen.
Zu beachten ist, dass eine Benachteiligung nicht nur in einem aktiven Tun gesehen werden kann, sondern auch in einem Unterlassen.
Unter einer unmittelbaren Benachteiligung versteht man nach § 3 I 1 AGG eine ungünstigere Behandlung einer Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes im Vergleich zu einer anderen Person in einer vergleichbaren Situation.
Beispiel:
Eine Bewerberin erhält eine Stelle nicht, weil sie eine Frau ist.
Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt nach § 3 I 2 AGG auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.
Eine mittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 II AGG vor, wenn es sich zwar dem Anschein nach um neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren handelt, dadurch aber gerade ein bestimmter Personenkreis wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt wird, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.
Beispiel:
Teilzeitbeschäftigte bekommen bestimmte Vergünstigungen nicht. Dieses stellt eine mittelbare Benachteiligung von Frauen dar, da der Großteil der Teilzeitbeschäftigten Frauen sind.
Unter einer Belästigung versteht man nach § 3 III AGG eine unerwünschte Verhaltensweise, die im Zusammenhang mit einem Grund nach § 1 AGG steht, und die bezweckt oder bewirkt, dass die Würde einer Person verletzt wird und/oder dass ein Atmosphäre geschaffen wird, die von Einschüchterungen, Erniedrigungen, Anfeindungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnet ist.
Beispiel:
Ein dunkelhäutiger Mitarbeiter wird von seinen Kollegen als Nigger bezeichnet und es werden Bananen auf seinen Schreibtisch gelegt. Der Arbeitgeber weiß davon, unternimmt aber nichts. In diesem Fall liegt sowohl eine Belästigung seitens des Arbeitgebers als auch seitens der Kollegen vor.
Weiteres Beispiel:
Ein Kollege droht einer Mitarbeiterin, Nacktfotos von ihr zu veröffentlichen.
Unter einer sexuellen Belästigung versteht man nach § 3 IV AGG ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten. Darunter fallen unerwünschte sexuelle Handlungen sowie Aufforderungen zu diesen, ebenso wie sexuell bestimmt körperliche Berührungen, sexuelle Bemerkungen und das nicht erwünschte Zeigen und sichtbare Aufhängen von pornographischen Darstellungen.
Beispiel:
Ein Mitarbeiter fasst einer Kollegin an ihren Po oder an ihre Brüste.
Es genügt, dass das Verhalten von einem objektiven Beobachter als unerwünschtes angesehen wird. § 7 I 2. HS. AGG erweitert den Anwendungsbereich des Diskriminierungsverbots auch auf subjektive Diskriminierungen. Ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot liegt also auch vor, wenn der Handelnde nur annimmt, dass er eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes diskriminiert.
Beispiel:
A findet in seinem Schreibtisch Pornohefte, die ihm seine Arbeitskollegen, die ihn für verklemmt halten, dorthin gelegt haben. Er nimmt daran jedoch keinen Anstoß. Trotzdem liegt in diesem Fall eine sexuelle Belästigung vor.
Das Benachteiligungsverbot gilt nach § 7 II AGG auch für Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen, also beispielsweise für Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen. Verstößt eine solche Vereinbarung gegen das AGG ist diese Vereinbarung nichtig, d. h. sie findet keine Anwendung.
Zulässige unterschiedliche Behandlung nach §§ 8-10 AGG
Benachteiligungen sind jedoch zulässig, wenn sie nach §§ 8-10 AGG sachlich gerechtfertigt sind.
Wegen beruflicher Anforderungen, § 8 AGG
Nach § 8 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderungen angemessen sind. Berufliche Anforderungen sollen dann gerechtfertigt sein, wenn sie für die übertragenen Arbeiten erforderlich sind, d. h. rechtliche oder tatsächliche Voraussetzungen der Tätigkeit sind. Sie sind dann gegeben, wenn das Auswahlkriterium einen hinreichend engen Tätigkeitsbezug zeigt, welcher nachweislich den Tätigkeitserfolg ausschlaggebend bestimmt. Außerdem müssen die beruflichen Anforderungen wesentlich und entscheidend seien. Dafür muss ein hinreichend großer Teil der Gesamtanforderungen der Ausübung des Arbeitsplatzes betroffen sein.
Ein Beispiel für eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen, das 2009 vom Bundesarbeitsgericht entschieden wurde (BAG vom 28.05.2009 – 8 AZR 536/08), ist, dass der Träger eines Gymnasiums bei der Besetzung einer Betreuerstelle für das von ihm betriebene Mädcheninternat die Bewerberauswahl auf Frauen beschränken durfte, da die Tätigkeit auch Nachtdienste im Internat beinhalten sollte.
Wegen der Religion oder Weltanschauung, § 9 AGG
Eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung ist nach § 9 AGG möglich bei der Beschäftigung durch Religionsgemeinschaften, den ihnen zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform oder durch Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Religion oder Weltanschauung zur Aufgabe machen, wenn eine bestimmte Religion oder Weltanschauung unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft oder Vereinigung im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht oder nach der Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt. An gerechtfertigte berufliche Anforderungen sind keine allzu hohen Ansprüche zu stellen. Es kann nur vom Gericht kontrolliert werden, ob die selbst aufgestellten Regelungen auch eingehalten wurden. Zugeordnete Einrichtungen sind Einrichtungen, die zur Religionsgemeinschaft gehören und auf die die Religionsgemeinschaft einen maßgeblichen Einfluss hat. Hierzu gehört z. B. die Caritas für die katholische Kirche oder das Diakonische Werk für die evangelische Kirche.
Nach § 9 II AGG wird der Rechtfertigungsgrund auf spezifische Verhaltensanforderungen ausgeweitet, die eine Religionsgemeinschaft an ihre Beschäftigten stellen darf. Der Arbeitgeber kann also neben der Zugehörigkeit zu seiner Religionsgemeinschaft verlangen, dass seine Beschäftigten eine an dieser Gemeinschaft ausgerichteten Verhaltensweise nachkommen müssen, ohne dass dieses einen Verstoß gegen das AGG darstellt. Die Gemeinschaften können selbst den Inhalt dieser Anforderungen festlegen. Eine Diskriminierung aus anderen Gründen ist allerdings nicht gerechtfertigt, so dass der Arbeitgeber die Grundrechte und sonstigen Diskriminierungsverbote beachten muss.
Beispiel: Ein katholischer kirchlicher Arbeitgeber darf eine Arbeitnehmerin nicht wegen ihrer Homosexualität diskriminieren, auch wenn dieses gegen das vom kirchlichen Träger geforderte Verhalten verstößt. Es würde ansonsten ein Verstoß gegen das Diskriminierungsmerkmal der sexuellen Identität vorliegen.
Wegen des Alters, § 10 AGG
Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ist nach § 10 I 1 AGG gerechtfertigt, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 I 2 AGG angemessen und erforderlich sein. Die eingesetzten Mittel müssen tatsächlich auch geeignet sein, das angestrebte Ziel zu fördern und die Interessen der benachteiligten Person dürfen nicht unangemessen stark vernachlässigt werden. Zweck dieser Regelung ist es, dass Arbeitnehmer möglichst lange und früh in Arbeit gebracht werden und damit dem Staat nicht zur Last fallen. In § 10 I 3 AGG sind mehrere Beispiele genannt, wann ein solcher Rechtfertigungsgrund gegeben ist. Danach ist z. B. eine unterschiedliche Behandlung nach § 10 3 Nr. 1 zulässig, um die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen. Nach § 10 3 Nr. 6 AGG dürfen Sozialpläne eine nach Lebensalter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung vorsehen. Die in § 10 3 AGG genannten Beispiele sind allerdings nicht abschließend. Zu beachten ist auch, dass die Ausnahmen vom Diskriminierungsverbot weit auszulegen sind.
Pflichten des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber ist nach § 12 I AGG verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz von Benachteiligungen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes zu treffen. Von dem Schutz umfasst sind auch vorbeugende Maßnahmen. Wenn Beschäftigte des Arbeitnehmers gegen Benachteiligungsverbote verstoßen –also wenn beispielsweise ein Arbeitnehmer im Betrieb gegenüber einer Kollegin sexuell anzügliche Bemerkungen macht- dann hat der Arbeitgeber nach § 12 III AGG geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen.
Der Arbeitgeber soll nach § 12 II 1 AGG auch in geeigneter Art und Weise, insbesondere im Rahmen der beruflichen Aus- und Fortbildung, auf die Unzulässigkeit solcher Benachteiligungen hinweisen und darauf hinwirken, dass sie unterbleiben. Er erfüllt diese Verpflichtung, indem er seine Beschäftigten in geeigneter Weise zum Zwecke der Verhinderung von Benachteiligungen schult.
Der Arbeitgeber muss außerdem dafür sorgen, dass seine Beschäftigten nicht von Dritten diskriminiert werden, § 12 IV AGG. Er muss in diesem Fall geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten ergreifen.
Der Arbeitgeber ist darüber hinaus nach § 12 V AGG verpflichtet, die Regelungen des AGG und die besonderen Regelungen zur Klageerhebung im Arbeitsgerichtsgesetz (§ 61 b Arbeitsgerichtsgesetz) in seinem Betrieb oder in der Dienststelle bekanntzumachen bzw. auszulegen.
Rechte des Arbeitnehmers
Das AGG räumt dem Arbeitnehmer bei Diskriminierungen die folgenden Rechte ein:
- Beschwerderecht, § 13 AGG
- Leistungsverweigerungsrecht, § 14 AGG
- Entschädigungs- und Schadensersatzanspruch, § 15 AGG
Beschwerderecht
Gem. § 13 I 1 AGG steht dem Beschäftigten ein Beschwerderecht zu gegenüber den zuständigen Stellen des Betriebs, des Unternehmens oder der Dienststelle, wenn sie sich im Zusammenhang mit ihrem Beschäftigungsverhältnis vom Arbeitgeber, vom Vorgesetzten, anderen Beschäftigten oder Dritten wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt fühlen. Der Arbeitgeber muss eine dafür zuständige Stelle in seinem Betrieb schaffen.
Die Beschwerde ist zu prüfen und das Ergebnis der oder dem beschwerdeführenden Beschäftigten mitzuteilen. Diese Beschwerde ist weder form- noch fristgebunden. Rechte der Arbeitnehmervertretungen bestehen allerdings – wie § 13 II AGG klarstellt – unabhängig vom Beschwerderecht des einzelnen Beschäftigten.
Leistungsverweigerungsrecht
Ergreift der Arbeitgeber keine oder offensichtlich ungeeignete Maßnahmen zur Unterbindung einer Belästigung oder sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz, sind die betroffenen Beschäftigten berechtigt, ihre Tätigkeit ohne Verlust des Arbeitsentgelts einzustellen, soweit dies zu ihrem Schutz erforderlich ist, § 14 AGG. Bei Untätigkeit des Arbeitgebers sind die betroffenen Personen also so lange berechtigt, ihre Arbeit unter Anspruch auf Fortzahlung des Gehalts einzustellen, bis der Arbeitgeber geeignete Maßnahmen ergriffen hat. Die Arbeitseinstellung muss allerdings zum Schutz der oder des Belästigten erforderlich sein. Um dieses festzustellen, muss eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen werden zwischen der Art und Schwere der Belästigung und der Ausübung des Verweigerungsrechts.
Bevor der Arbeitnehmer die Arbeit einstellt, ist ihm dringend zu raten, qualifizierten juristischen Rat einzuholen. Verweigert ein Arbeitnehmer zu Unrecht die Arbeitsleistung, kann dies gegebenenfalls eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber rechtfertig
Schadensersatzanspruch
Bei einem Verstoß gegen das AGG muss der Arbeitgeber dann Schadensersatz leisten, wenn kein sachlicher Rechtfertigungsgrund vorliegt und ihn ein Verschulden trifft, § 15 I AGG. Die Berechnung des Schadens bestimmt sich nach den allgemeinen Grundsätzen des § 249 des Bürgerlichen Gesetzbuches (=BGB). Es ist also der gesamte Schaden zu ersetzen, der durch die Benachteiligung entstanden ist. Dieser Anspruch umfasst insbesondere den entgangenen Gewinn. Eine Obergrenze bis zu der höchstens der Schaden zu ersetzen ist, gibt es nicht. Allerdings dürfte z. B. bei einer Nichteinstellung wegen eines Grundes, der in § 1 AGG genannt ist, nicht dazu führen, dass der Bewerber bis zum Pensionsalter Entgeltersatz bekommt für die entgangene Stelle. Es ist allerding bis heute noch nicht abschließend durch die Rechtsprechung geklärt worden, wie hoch der Umfang des Schadensersatzanspruches in einem solchen Fall ist.
Neben dem Schadensersatzanspruch nach § 15 I AGG gibt es auch noch einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 II AGG. Dieser Entschädigungsanspruch ist verschuldensunabhängig und kann nicht nur gegenüber dem Arbeitgeber, sondern auch gegenüber Dritten geltend gemacht werden. Er stellt eine komplett eigenständige Anspruchsgrundlage im Vergleich zu § 15 I AGG dar und gewährt dem Benachteiligten einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist.
Als Voraussetzung für die Gewährung des Entschädigungsanspruches reicht die bloße Benachteiligung aus. Der Entschädigungsanspruch ist begrenzt auf drei Monatsgehälter für den Fall, dass der Bewerber auch bei Nichtdiskriminierung die Stelle nicht bekommen hätte. Es müssen allerdings nicht drei Monatsgehälter Entschädigung vom Gericht dem Benachteiligten zugesprochen werden, sondern diese drei Monatsgehälter stellen den Höchstbetrag dar. Das Gericht kann also beispielsweise auch nur ein oder zwei Monatsgehälter als Entschädigung gewähren. Wenn man Klage bei Gericht einreicht, kann man die Höhe des Entschädigungsanspruches wie beim Schmerzensgeldanspruch in das Ermessen des Gerichts stellen unter Nennung eines Mindestbetrages. Im Umkehrschluss bedeutet dieses, dass der am besten geeignetste Bewerber -allerdings nur nach § 15 I AGG- auch mehr als drei Monatsgehälter für sich beanspruchen kann, wenn er aufgrund der Diskriminierung den Job nicht bekommen hat. Es wird jedoch in der Praxis sehr schwer sein, nachzuweisen, dass man der am besten geeignetste Kandidat war.
Was ansonsten eine angemessene Entschädigung ist, wenn es sich nicht um eine sog. Einstellungsdiskriminierung handelt, das haben die Gerichte unter Berücksichtigung der Schwere des Verstoßes, des Ausmaßes des Verschuldens und des Vorliegens eines Wiederholungsfalles zu beurteilen. So dürfte beispielsweise eine verschuldete Diskriminierung schwerer wiegen als eine unverschuldete und eine unmittelbare schwerer als eine mittelbare.
Der Stellenbewerber kann nur dann benachteiligt werden und damit einen Entschädigungs- oder Schadensersatzanspruch haben, wenn er für die Stelle objektiv geeignet ist und sich subjektiv auch ernsthaft beworben hat. Dieses wäre beispielsweise nicht gegeben, wenn sich ein Mann, der gar keine Ausbildung als Krankenpfleger hat, sondern der beispielsweise KFZ-Mechaniker ist, auf eine Stelle als Krankenschwester bewirbt.
Allzu hohe Anforderungen sind an die objektive Eignung allerdings nicht zu stellen. An ihr fehlt es nur dann, wenn der Bewerber dem in der Stellenbeschreibung enthaltenen Anforderungsprofil nicht ansatzweise entspricht.
Maßstab für die Frage, ob der Stellenbewerber für die Stelle geeignet ist, sind grundsätzlich die in der Stellenausschreibung genannten Voraussetzungen außer diese sind offensichtlich willkürlich.
Zu beachten ist, dass ein Entschädigungs- und Schadensersatzanspruch nach § 15 IV 1 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden muss. Eine Ausnahme gilt dann, wenn die Tarifvertragsparteien etwas anderes vereinbart haben. Die Frist bei Bewerbungsverfahren beginnt nach § 15 IV 2 AGG dann zu laufen wenn man die Absage erhalten hat. Ansonsten beginnt die Frist, wenn der Beschäftigte von der Benachteiligung erfährt.
Zu beachten ist außerdem, dass das AGG ausdrücklich keinen Einstellungsanspruch oder einen Anspruch auf beruflichen Aufstieg -also auf Beförderung- gewährt, vgl. § 15 VI AGG
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