Verhaltensbedingte Kündigung
Nach § 1 Abs. 2 KSchG kann eine Kündigung dann sozial gerechtfertigt sein, wenn sie durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt ist. Eine Kündigung aus einem verhaltensbedingten Grund kommt dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer gegen Pflichten verstößt, die sich aus dem Arbeitsvertrag ergeben.
Beispiele:
wiederholtes unentschuldigtes Fehlen, häufiges Zuspätkommen, Straftaten gegenüber dem Arbeitgeber, beharrliche Arbeitsverweigerung
Die verhaltensbedingten Kündigungsgründe lassen sich in folgende Fallgruppen einteilen:
- Pflichtverstöße im Leistungsbereich (Der Arbeitnehmer kommt mehrfach unentschuldigt nicht zur Arbeit.)
- Verstöße gegen die betriebliche Ordnung (Der Arbeitnehmer verstößt gegen ein im Betrieb geltendes Alkoholverbot.)
- Störungen im Vertrauensbereich (Der Arbeitnehmer begeht einen Diebstahl gegenüber dem Arbeitgeber.)
- Verletzung von Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag (Der Arbeitnehmer verrät Betriebsgeheimnisse an einen Konkurrenten des Arbeitgebers.)
Eine klare Definition dafür, wann eine verhaltensbedingte Kündigung berechtigt ist, gibt es nicht. Häufig wird formuliert, für eine wirksame verhaltensbedingte Kündigung müsste ein Verhalten des Arbeitnehmers vorliegen, das bei verständiger Würdigung und Abwägung der Interessen der Vertragsparteien die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lässt. Hierbei handelt es sich natürlich um eine sehr dehnbare Formel. Das Recht der verhaltensbedingten Kündigung ist deshalb stark durch Einzelfallentscheidungen der Rechtsprechung geprägt, an denen sich die Arbeitsgerichte immer wieder orientieren. In der Rechtsprechung haben sich eine Vielzahl von Fallgruppen der verhaltensbedingten Kündigung herausgebildet. Bei dem Heranziehen von Vergleichsurteilen ist aber immer zu berücksichtigen, dass bei jeder Kündigung eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist. Alle Umstände des Einzelfalls müssen bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Kündigung berücksichtigt werden. Auch wenn sich die Sachverhalte in vielen Punkten gleichen, kann eine verhaltensbedingte Kündigung in einem Fall wirksam und im anderen Fall unwirksam sein. Die zu starke Orientierung an bereits entschiedenen Fällen kann zu Fehlschlüssen führen.
Wichtig:
Eine verhaltensbedingte Kündigung ist keine Sanktion für ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers in der Vergangenheit. Sie dient ausschließlich dazu, zukünftigen gleichartigen Störungen des Arbeitsverhältnisses vorzubeugen.
Abgrenzung zur personenbedingten Kündigung
Die verhaltensbedingte Kündigung ist von der personenbedingten Kündigung wie folgt zu unterscheiden: Einer verhaltensbedingten Kündigung liegt immer ein willensgesteuertes bzw. steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers zugrunde. Die personenbedingte Kündigung beruht dagegen auf einem Verhalten des Arbeitnehmers, dass dieser nicht steuern kann. Hilfreich bei der Abgrenzung können die folgenden Merksätze sein:
„Ein personenbedingter Kündigungsgrund liegt vor, wenn sich der betreffende Arbeitnehmer betriebsstörend verhält, weil er sich nicht anders verhalten kann.“
„Ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund liegt vor, wenn der betreffende Arbeitnehmer sich betriebsstörend verhält, obwohl er sich anders verhalten könnte.“
Abgrenzung zur fristlosen (außerordentlichen) Kündigung
Auch die außerordentliche Kündigung beruht in der Regel auf verhaltensbedingten Gründen. Der Unterschied zwischen beiden Kündigungsarten besteht im Wesentlichen darin, dass das Fehlverhalten des Arbeitnehmers besonders schwer wiegen muss, und zwar so schwer, dass es dem Arbeitgeber unzumutbar ist, das Arbeitsverhältnis noch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen.
Dennoch gelten viele Grundsätze in gleicher Weise für beide Kündigungsarten.
Ein Verhalten des Arbeitnehmers, das den Arbeitgeber zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigt, rechtfertigt grundsätzlich auch eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung. Der Ausspruch einer ordentlichen Kündigung wird trotz Vorliegens der Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung z.B. dann bedeutsam, wenn der Arbeitgeber die bei der außerordentlichen Kündigung einzuhaltende 2-Wochen-Frist versäumt hat.
Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung
Damit eine verhaltensbedingte Kündigung wirksam ist, müssen neben den allgemeinen Voraussetzungen, die jede Kündigung erfüllen muss, bestimmte besondere Voraussetzungen gegeben sein:
- Vertragswidriges Verhalten
- Verschulden
- Negative Prognose
- Vorherige Abmahnung (ausnahmsweise entbehrlich)
- Kein milderes Mittel
- Interessenabwägung, die zugunsten des Arbeitgebers ausfällt
1. Vertragswidriges Verhalten
Eine verhaltensbedingte Kündigung kann nur auf ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers gestützt werden. Der Arbeitnehmer muss also gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verstoßen haben, damit eine verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt sein kann. In Betracht kommt sowohl ein Verstoß gegen Hauptleistungspflichten als auch gegen Nebenpflichten.
Zur Hauptleistungspflicht gehört insbesondere
- die Arbeitspflicht
Zu den Nebenpflichten gehören u.a.
- die Pflicht zur Wahrung der betrieblichen Ordnung
- Treuepflichten
- Verschwiegenheitspflichten
- Anzeige- und Auskunftspflichten
- Rücksichtnahmepflichten
Es reicht aber nicht jede Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten aus, um das Recht des Arbeitgebers zur verhaltensbedingten Kündigung zu begründen. Die Pflichtverletzung muss schon ein gewisses Gewicht haben, Bagatellverstöße reichen nicht aus. Erforderlich ist, dass das Arbeitsverhältnis durch das Verhalten des Arbeitnehmers konkret beeinträchtigt wird. Ausreichend ist nur ein solches Verhalten, das einen „ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber“ zum Ausspruch einer Kündigung verlassen würde.
Beispiel:
Ein Arbeitnehmer kommt einmal 5 Minuten zu spät zur Arbeit. Diese „Verletzung“ der Arbeitspflicht hat lediglich Bagatellcharakter und reicht nicht für den Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung aus. (Etwas anderes kann gelten bei wiederholten Verspätungen und vorangegangener Abmahnung.)
2. Verschulden
Der Arbeitnehmer muss die Pflichtverletzung grundsätzlich in schuldhafter Weise begangen haben. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben muss.
Hat der Arbeitnehmer nicht schuldhaft gehandelt, scheidet eine verhaltensbedingte Kündigung in der Regel aus. Es kann aber eine personenbedingte Kündigung in Betracht kommen.
Beispiel:
Ein Arbeitnehmer ist aufgrund einer schweren Erkrankung arbeitsunfähig. Die behandelnden Ärzte geben die Prognose ab, dass der Arbeitnehmer – wenn überhaupt – frühestens in einem Jahr wieder arbeitsfähig sein wird. Objektiv betrachtet verletzt der Arbeitnehmer durch sein Nichterscheinen zur Arbeit seine Arbeitspflicht. Diese „Vertragsverletzung“ beruht aber nicht auf einem vom Arbeitnehmer steuerbaren Verhalten.
3. Negative Prognose
Das Ziel einer verhaltensbedingten Kündigung ist die Vermeidung zukünftiger Verletzungen des Arbeitsvertrages bzw. die Beseitigung zukünftiger Belastungen des Arbeitsverhältnisses. Die verhaltensbedingte Kündigung dient demgegenüber nicht dazu, den Arbeitnehmer für ein in der Vergangenheit begangenes Fehlverhalten zu bestrafen.
Voraussetzung für die Wirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung ist deshalb eine sogenannte „negative Zukunftsprognose“: Aufgrund des Verhaltens des Arbeitnehmers muss auch in der Zukunft mit sich negativ auf das Arbeitsverhältnis auswirkenden Vertragsverletzungen des Arbeitnehmers zu rechnen sein. Grundsätzlich ist nur bei einer derartigen Wiederholungsgefahr eine verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt.
Eine negative Zukunftsprognose für das Arbeitsverhältnis kann sich aber auch daraus ergeben, dass durch das Verhalten des Arbeitnehmers die zur weiteren Zusammenarbeit erforderliche Vertrauensgrundlage zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zerstört ist.
Für die vorzunehmende Prognose gilt der Grundsatz, dass umso eher ein negative Zukunftsprognose gerechtfertigt ist, je schwerer das Verschulden des Arbeitnehmers wiegt.
4. Vorherige Abmahnung
Bevor der Arbeitgeber eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen darf, muss er den Arbeitnehmer für sein Verhalten in der Regel abgemahnt haben. Ohne vorherige ordnungsgemäße Abmahnung ist die Kündigung unwirksam.
Damit eine Abmahnung zur Rechtfertigung einer Kündigung herangezogen werden kann, muss die Abmahnung zunächst erst einmal selbst wirksam sein. Auch die Wirksamkeit einer Abmahnung ist an eine Reihe von Voraussetzungen gebunden.
Gleichartigkeit der Pflichtverletzung
Um eine Kündigung rechtfertigen zu können, muss die erteilte Abmahnung eine gleichartige oder vergleichbare Pflichtverletzung zum Gegenstand gehabt haben, wie die später ausgesprochene Kündigung. Nur dann kann die Abmahnung zur Rechtfertigung der Kündigung dienen.
Beispiel:
Ein Berufskraftfahrer hat mit seinem Dienstfahrzeug grob fahrlässig einen Verkehrsunfall verursacht und wird von seinem Arbeitgeber aus diesem Grund abgemahnt. 3 Wochen nach diesem Vorfall kommt der Arbeitnehmer unentschuldigt eine Stunde zu spät zur Arbeit. Der Arbeitgeber spricht wegen des Zuspätkommens eine verhaltensbedingte Kündigung aus und verweist darauf, dass er den Arbeitnehmer ja bereits einmal wegen eines Fehlverhaltens abgemahnt hatte.
In dem Beispielsfall kann der Arbeitgeber die wegen des Verkehrsunfalls ausgesprochene Abmahnung nicht zur Begründung der Kündigung wegen des Zuspätkommens heranziehen. Denn das Verursachen eines Verkehrsunfalls und das Zuspätkommen sind keine gleichartigen Pflichtverletzungen.
„Verbrauch“ des Kündigungsrechts
Hat der Arbeitgeber ein Verhalten des Arbeitnehmers abgemahnt, hat er damit sein Recht zur Reaktion auf das beanstandete Verhalten „verbraucht“. Der Arbeitgeber kann dann wegen desselben Verstoßes keine Kündigung mehr aussprechen.
Entbehrlichkeit einer Abmahnung
In Ausnahmfällen kann eine verhaltensbedingte Kündigung auch ohne eine zuvor erteilte Abmahnung wirksam sein. Dies gilt allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur in zwei Fällen:
- Wenn bereits bei Ausspruch der erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten ist.
- Wenn es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen.
5. Kein milderes Mittel
Dem Arbeitgeber darf kein geeignetes, gegenüber einer Kündigung milderes Mittel zur Verfügung stehen, um zukünftige Vertragsverletzungen zu vermeiden. Steht dem Arbeitgeber ein milderes Mittel zur Verfügung und erklärt er dennoch eine Kündigung, ist diese unwirksam.
Als milderes Mittel kommt (neben der Abmahnung) insbesondere die Möglichkeit in Betracht, den Arbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz als bisher weiterzubeschäftigen, wenn dort keine weiteren Vertragsverstöße zu befürchten sind.
6. Interessenabwägung
Sind alle bisher genannten Voraussetzungen für eine verhaltensbedingte Kündigung erfüllt, ist zum Schluss noch eine Interessenabwägung vorzunehmen. Das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist dabei gegen das Interesse des Arbeitnehmers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abzuwägen. Je nachdem, welches Interesse überwiegt, ist die Kündigung entweder wirksam oder unwirksam.
Bei der Interessenabwägung im Rahmen einer verhaltensbedingten Kündigung kommt es insbesondere an auf die
- Art, Schwere und Häufigkeit des Fehlverhaltens des Arbeitnehmers.
Im Rahmen der Interessenabwägung sind zugunsten des Arbeitnehmers insbesondere die folgenden Umstände zu berücksichtigen:
- früheres einwandfreies Verhalten
- Mitverschulden des Arbeitgebers
- Dauer der Betriebszugehörigkeit
- Lebensalter
- Unterhaltspflichten
- Arbeitsmarktsituation
Auf Seiten des Arbeitgebers sind insbesondere die folgenden Punkte zu berücksichtigen:
- Betriebsablaufstörungen
- Arbeits- und Betriebsdisziplin
- Vermögensschaden
- Wiederholungsgefahr
- Ansehensschaden
- Schutz der Belegschaft
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