Wann darf der Betriebsrat einen Rechtsanwalt beauftragen?
Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollen Arbeitgeber und Betriebsrat vertrauensvoll zusammenarbeiten. Trotz dieser gesetzlichen Vorgabe gibt es aber im betrieblichen Alltag immer mal wieder Konfliktsituationen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Dies ist auch nicht weiter verwunderlich. Denn Arbeitgeber und Betriebsrat haben nun einmal grundsätzlich gegensätzliche Interessen zu vertreten.
Ausgangspunkt vieler Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat sind unterschiedliche Auffassungen im Hinblick auf die dem Betriebsrat durch das Betriebsverfassungsgesetz eingeräumten Rechte und Pflichten. Sind die Betriebspartner in einer betriebsverfassungsrechtlichen Frage unterschiedlicher Meinung, ist es für beide Seiten schwierige einzuschätzen, wer denn nun im Recht ist. Während aber der Arbeitgeber frei entscheiden kann, ob er zur Wahrnehmung seiner Rechte gegenüber dem Betriebsrat einen Rechtsanwalt beauftragt oder anderweitig auf juristischen Sachverstand zurückgreift (z.B. über die eigene Personalabteilung), sieht die Situation für den Betriebsrat etwas anders aus. Der Betriebsrat verfügt über keine eigenen finanziellen Mittel, mit denen er einen Rechtsanwalt bezahlen kann.
Allerdings darf sich der Betriebsrat in bestimmten Fällen auf Kosten des Arbeitgebers von einem Rechtsanwalt beraten lassen und diesen mit der Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen beauftragen. Das Betriebsverfassungsgesetz enthält verschiedene Bestimmungen, die dem Betriebsrat die Inanspruchnahme der Dienste eines Anwalts ermöglichen und den Arbeitgeber zur Übernahme der Kosten verpflichten. Die wichtigste ist § 40 Abs. 1 BetrVG. Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten zu tragen. Zu diesen Kosten gehören auch Kosten, die durch die (gerichtliche) Verfolgung oder Verteidigung von Rechten des Betriebsrats entstehen.
Wann genau darf ein Betriebsrat zur Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte einen Rechtsanwalt beauftragen?
Vertretung in Gerichtsverfahren
Muss der Betriebsrat ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht führen, kann er sich dabei in der Regel durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Betriebsrat oder der Arbeitgeber das Gerichtsverfahren einleitet. Für die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Übernahme der Gebühren des Rechtsanwalts kommt es nicht darauf an, ob der Betriebsrat den Prozess am Ende gewinnt oder verliert.
Der Betriebsrat muss sich vom Arbeitgeber auch nicht darauf verweisen lassen, dass die Vertretung durch eine Gewerkschaft billiger wäre. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Betriebsrat frei wählen, ob er einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung beauftragt oder gewerkschaftlichen Rechtsschutz in Anspruch nimmt.
Allerdings muss der Arbeitgeber die durch einen Gerichtsprozess entstehenden Rechtsanwaltskosten nicht übernehmen, wenn die Rechtsverfolgung offensichtlich aussichtslos oder mutwillig ist. Damit dem Betriebsrat nicht der Vorwurf gemacht werden kann, er habe „mutwillig“ einen Gerichtsprozess eingeleitet, sollte er in der Regel zunächst versuchen, eine gütliche Einigung mit dem Arbeitgeber zu erzielen.
Außergerichtliche Vertretung
Auch wenn noch kein konkreter Rechtsstreit droht, kann der Betriebsrat berechtigt sein, einen Rechtsanwalt auf Kosten des Arbeitgebers mit der außergerichtlichen Wahrnehmung seiner Interessen gegenüber dem Arbeitgeber zu beauftragen. Wenn der Betriebsrat annehmen kann, dass durch die Einschaltung eines Rechtsanwalts eine gütliche Einigung mit dem Arbeitgeber ohne ein gerichtliches Verfahren erreicht werden kann, hat der Arbeitgeber grundsätzlich auch die durch die außergerichtliche Tätigkeit entstehenden Rechtsanwaltsgebühren zu übernehmen (LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 20.07.1999 – 3 TaBV 16/99).
Vertretung in der Einigungsstelle
Auch in Verfahren vor der Einigungsstelle kann sich der Betriebsrat anwaltlich vertreten lassen. Voraussetzung für eine Übernahme der dadurch entstehenden Anwaltskosten durch den Arbeitgeber ist, dass die Vertretung durch einen Rechtsanwalt bei verständiger Würdigung aller Umstände erforderlich ist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn sich im Einigungsstellenverfahren
- schwierige Rechtsfragen oder
- schwierige Fragen tatsächlicher Art stellen oder wenn
- sich der Arbeitgeber vor der Einigungsstelle anwaltlich vertreten lässt (Grundsatz der Waffengleichheit).
Der Betriebsrat hat aber auch die Möglichkeit, einen Rechtsanwalt seines Vertrauens als Beisitzer für die Einigungsstelle zu benennen und dadurch dessen juristischen Sachverstand für das Einigungsstellenverfahren zu nutzen.
Hinzuziehung eines Anwalts als Sachverständiger
Eine weitere Möglichkeit für den Betriebsrat, auf den juristischen Sachverstand eines Rechtsanwalts zurückzugreifen, bietet § 80 Abs. 3 BetrVG. Nach dieser Vorschrift kann der Betriebsrat bei der Durchführung seiner Aufgaben unter bestimmten Voraussetzungen Sachverständige hinzuziehen. Zu den Sachverständigen im Sinne dieser Vorschrift zählen auch Rechtsanwälte.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Betriebsrat dann einen Anwalt als Sachverständigen heranziehen, wenn dieser dem Betriebsrat spezielle Rechtskenntnisse vermitteln soll, die der Betriebsrat zur Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben benötigt. Voraussetzung ist allerdings, dass die Hinzuziehung des Rechtsanwalts auch erforderlich im Sinne des § 80 Abs. 3 BetrVG ist. Erforderlich ist die Hinzuziehung eines Sachverständigen dann, wenn dem Betriebsrat die nötige Sachkunde fehlt, um eine bestimmte, ihm gesetzlich zugewiesene Aufgabe ordnungsgemäß wahrnehmen zu können. Die Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts wird z.B. bejaht bei schwierigen Rechtsfragen und bei Vorbereitungen für einen Interessenausgleich und Sozialplan.
Ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Sinne des § 80 Abs. 3 BetrVG erforderlich, darf der Betriebsrat den Anwalt aber trotzdem erst dann einschalten, wenn er sich über die Einzelheiten der Anwaltsbeauftragung (vor allem Thema, Person, Kosten) mit dem Arbeitgeber geeinigt hat. Können sich Betriebsrat und Arbeitgeber nicht einigen, kann der Betriebsrat die Zustimmung des Arbeitgebers vom Arbeitsgericht ersetzen lassen.
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